Donnerstag, 10. Januar 2019

Vortrag des LHW zur Renaturierung der Elbe

In einem Vortrag im Museum des Salzlandkreises informierte Karl-Heinz Jährling, Sachgruppenleiter Morphologie am Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW), über die Arbeiten des LHW zur ökologischen Aufwertung und Renaturierung der Landschaft an der Elbe und über die Möglichkeiten, dies auch in Einklang mit dem Hochwasserschutz – und auch mit der Schifffahrt – zu tun. In seinem Fazit fasste Jährling, der mit seinem Arbeitsgebiet für die ökologische Seite des Landesbetriebes steht, etwas zusammen, was auch durch die Aktivisten des Elbe-Saale-Camps vertreten wird: Die Elbe braucht mehr Raum und mehr Lateralvernetzung (d.h. Vernetzung zur Seite, zwischen Haupt- und Nebenstrom, Altarmen und Aue).


Am Beginn seines Vortrag war eine Karte zu sehen, die das Elbegebiet im Raum Magdeburg Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte: zwar schon mit ersten Buhnen, aber immer noch mit zwei Flussarmen (die Dornburger Alte Elbe war damals noch nicht durch das Pretziener Wehr abgesperrt) und mit mehreren Altgewässern.

Karte von 1842, mit dem Verlauf der damals noch
frei fließenden Dornburger Alten Elbe

Im Gegenzug dazu stand ein Luftbild der heutigen Elbe, auf dem die Flussbaumaßnahmen den Fluss weiter einengten und die Alte Elbe zum großen Teil vom Wasserdurchfluss abgeschnitten ist. Die Folgen konnte man gerade bei der langen Trockenheit des vergangenen Jahres deutlich sehen: abgeschnitten vom Hauptstrom hat die Alte Elbe jeden Flusscharakter verloren.

Alte Elbe zwischen Elbenau und Calenberge:
nur noch ein schmales Rinnsal (Herbst 2018)

Damit geht der Verlust von Lebensgrundlagen für die Teile der Fauna verloren, die für ein lebendiges Gewässer notwendig sind. Und das ist auch der Ansatz für den LHW, tätig zu werden. Schließlich geht es auch um die Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie. Und dafür muss von den kleinsten biologischen Bestandteile des Flusses, dem Phytoplankton, bis zu Fischen alles vorhanden sein. Auf seiner Einstiegsfolie hatte Jährling unter anderem ein historisches Foto mit einem an der Elbe gefangenen riesigem Stör, so groß, dass dahinter sechs oder sieben Menschen nebeneinander posieren können. Seine Hoffnung: auch der Stör kommt wieder. Um solch Leben im Fluss zu haben, braucht es Dynamik im Fluss, erklärt Jährling und sagt, "statische Gewässer kann man nicht naturnah entwickeln". Damit meint er die Elbe ebenso wie deren vom Fluss abgeschnittenen Altarme.

Das Problem an der Elbe (wie auch an anderen großen deutschen Flüssen): Durch Deichbau und Flussregulierung sind sie auf einen minimalen Rest ihrer Breite eingeschränkt und werden daran gehindert sich zu verändern. Einige Zahlen verdeutlichen das: so floss die Elbe auf den 108 Kilometern nördlich von Magdeburg vor wenigen 100 Jahren noch auf 750 Metern Breite, teils in mehreren parallelen Teilströmen, heute sind es nur noch 150 Meter. Es gab auf dieser Strecke einst 55 Inseln, heute keine mehr. Rechnet man den Magdeburger Rotehorn-Park nicht mit (de facto ist die Alte Elbe nach dem Bau des "Magdeburger Wasserfalls" und die Entstehung großer Sandbänke keine Insel in der Elbe mehr), dann gibt es nur noch bei Pillnitz eine einzige Insel in der Elbe. Auch die 28 großen Uferbänke auf dieser Strecke sind verschwunden oder von den Sedimenten der Elbe bedeckt und zum Vorland der Elbe geworden.

Überblick über die im Verlauf der Elbe seit 1120
verloren gegangenen Retentionsflächen
linke Achse: Elbe-Kilometer,
untere Achse: Breite der Elbe in Kilometer

Zugleich verstärkte sich die Strömung in der Elbe durch die Buhnen, mit einem stärkeren Abtrag von Sediment zum Einen und dem Fehlen von Nachschub an Sediment durch die Talsperren im Oberlauf der Elbe. Jedes Jahr fehlt die riesige Menge von 450.000 Tonnen Kies und Sand. Die Folge: die Elbe gräbt sich immer tiefer ein, "ein bis zwei Zentimeter sind es immer noch, jedes Jahr", sagte Jährling. Dass auch das Einfluss auf die Grundwasserverhältnisse hat, liegt auf der Hand.

Dass es Möglichkeiten gibt, Fehlentwicklungen rückgängig zu machen, erläutert Karl-Heinz Jährling an drei Beispielen. Ein erstes ist ein Stück Alter Elbe bei Parchau, noch im Vorland des Flusses innerhalb der Deiche, aber durch Flussbaumaßnahmen von der Elbe abgetrennt und durch ehemalige Panzerfahrwege der Roten Armee unterbrochen. Das Wasser darin war in Trockenzeiten meist atropiert (ohne Sauerstoff) und  biologisch tot. Nach dem Wiederanschluss dieses Altarms entstand eine 7 Hektar große Flussinsel. Der Altarm wurde wieder dauerhaft von Wasser durchflossen und steht auch als Laichgebiet für Fische zur Verfügung. Und die Wirkung auf die Schifffahrt? "Die Wasserstraßenverwaltung war selbst überrascht, dass es keine nachteiligen Auswirkungen auf die Schifffahrt gab", sagte Jährling. (Bleibt zu hoffen, dass die Leute dort lernfähig sind und sich nicht mehr gegen derartige Projekte stellen – oder, man mag's kaum hoffen, sie künftig sogar unterstützen?).

Ein weiteres Beispiel ist die Deichrückverlegung bei Lödderitz. Dabei entstand neben dem Erhalt wertvoller Hartholzaue eine zusätzliche Retentionsfläche (Fläche, auf die sich der Fluss bei Hochwasser ausdehnen kann) von 4.000 ha. Angesichts von über 30.000 ha verloren gegangener Fläche (insgesamt hat die Elbe etwa 86 Prozent ihrer Fläche verloren) nicht viel, aber wenigstens etwas, sagt Jährling. Und weiß auch, dass es schwer ist, dafür überhaupt Flächen zu bekommen. Landwirtschaftliche Fläche ist knapp in Deutschland. Immerhin ist Sachsen-Anhalt Vorreiter bei der Deichrückverlegung. 25 derartige Projekte will das Land bis etwa 2030 fertigstellen. Zeit braucht das auch, weiß Jährling: "1993 habe ich das Lödderitzer Projekt erstmalig vorgestellt, 2018 wurde es fertig". Jährling, der studierter Wasserwirtschaftler ist, verliert bei diesen Maßnahmen auch nicht den Blick auf den Hochwasserschutz, den er gerade mit dem Lödderitzer Projekt gut in Einklang mit dem Naturschutz gebracht sieht. Er erklärt das auch an einer Senkung des maximalen Hochwasserscheitels durch die Verbreiterung des Querschnitts. Auch wenn Polder wie bei Havelberg noch effektiver sind, hat doch auch die Flussverbreiterung ihre großen Vorteile.

Ein noch in Arbeit befindliches Projekt, in diesem Jahr soll es fertig werden, ist die Sanierung der Alten Elbe bei Lostau. Während die nahe gelegenen Alte Elbe bei Biederitz ein lebendiges Gewässer mit hervorragender Qualität ist, war die Lostauer Alte Elbe praktisch tot. Der Grund ist für Jährling leicht zu erklären: in Biederitz wird die Alte Elbe noch von Wasser durchflossen. Zwar nicht von dem der Elbe, aber von der Ehle. In Lostau fließt die durch einen Kanal an der Alten Elbe vorbei in die Elbe. In einem ersten Schritt wurde die Alte Elbe unterseitig mit der Elbe verbunden, so dass bei dem andauernden Niedrigwasser der Schlamm weiter entwässert wurde, in einem zweiten Schritt wurde der Schlamm mit Baggern und Raupen entfernt. "Ich stand dann neben einer zwei Meter hohen Wand aus Schlamm auf dem nun nach 150 Jahren wieder frei liegenden Grund der Elbe und konnte alte Muschelschalen aufheben", sagte Jährling. Im dritten Schritt wird jetzt die Ehle durch die Alte Elbe geleitet. Künftig könnte sie wieder so werden wie die bei Biederitz.

Am Ende seines Vortrages hatte Karl-Heinz Jährling einige Kernaussagen:
  • Wenn man nur die Statik eines Gewässers erhält, hat man nichts gekonnt
  • Man muss Dynamik im Fluss schaffen, er braucht mehr nutzbare Breite und mehr Lateralvernetzung
  • Ein Nachdenken auch über unkonventionelle Maßnahmen ist nötig
  • Längerfristige Maßnahme, auch eine Verringerung des Verkehrs, müssen möglich sein
In der anschließenden Diskussion kamen auch die pflegerischen Eingriffe in den Umflutkanal und in die Magdeburger Alte Elbe zur Sprache. Auf die Frage, ob wirklich alle Bäume entfernt werden müssen, erklärte Jährling die vom LHW durchgeführten Arbeiten. Wichtig ist, einen ausreichenden Abflussquerschnitt zu bekommen. Das schließt aber nicht aus, vor allem in Längsrichtung stehende Baumgruppen zu erhalten.

Für mich als Zuhörer blieb noch ein weiteres Fazit: Angesichts der erfolgreichen Renaturierungsprojekte und fast nicht mehr vorhandener Schifffahrt auf der Elbe wäre es längst überfällig, einen großen Teil der für Strombaumaßnahmen ausgegeben Millionen umzuwidmen und in Projekte des Naturschutzes und der Renaturierung der Elbe zu stecken. Der Schifffahrt schadet dies nicht – schließlich fährt sie über die meiste Zeit des Jahres erst gar nicht und nutzt nur noch die paar Monate mit hohem Wasserstand. De facto haben wir an der Elbe bereits eine flussangepasste Schifffahrt – nur wollen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, das Wasserstraßenneubauamt und auch das CDU-geführte sachsen-anhaltische Verkehrsministerium das nicht eingestehen. Noch nicht.

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