Sonntag, 29. Juli 2018

Das 26. Elbe-Saale-Camp ist eröffnet

Heute Nachmittag begann das 26. Elbe-Saale-Camp mit einer Auen-Wanderung mit dem Naturschutz-Experten Ernst-Paul Dörfler. Unter dem Titel "Ausgesummt und ausgezwitschert?" standen der Rückgang der Insekten und die Auswirkung auf Natur und Mensch im Mittelpunkt.

Ernst-Paul-Dörfler (3. von rechts) nahm Camp-
Teilnehmer und Gäste mit auf einen Spaziergang
durch die Elb-Auen.

"Wir treffen uns hier bei einer extremen Wetterlage", sagte Dörfler, "die als Zeichen für den Klimawandel genommen werden kann". Und so war dann sein unterhaltsamer Vortrag ein Streifzug quer durch versteckte und offen sichtbare Zusammenhänge von Klima und Mensch, Insekten und  Landwirtschaft, bei dem alles mit allem zusammenhing. Angesichts der tropischen Temperaturen zogen die Teilnehmer der Wanderung von Schattenplatz zu Schattenplatz, um vor den Sonnenstrahlen geschützt Dörflers Vortrag zuzuhören.

"Daß diese Zusammenhänge überhaupt wieder offen diskutiert werden, haben wir den Bienen zu verdanken", so Dörfler, "die von allen von der Kindheit an als Bestäuberinsekten bekannt sind". Aber der Rückgang der Insekten ist viel breiter, erklärte Dörfler weiter und verwies auf mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema, die nicht mehr wegzudiskutieren sind. Inzwischen sind zumindest eineig Zeichen des Rückganges der Insekten selbst für Laien zu erkennen. So die weniger gewordenen Insekten auf den Windschutzscheiben der Autos oder das fehlende Summen in der Luft. "Wir müssen die Natur neu verstehen lernen", sagte Dörfler, "und auch wieder lernen, auf die Insekten zu hören".

Dörfler wies darauf hin, daß das Thema inzwischen auch in der Bundespolitik angekommen ist, "und das haben wir einer Teilnehmerin des Elbe-Saale-Camp zu verdanken". Steffi Lemke, jetzt Bundestags-Abgeordnete der Grünen, hatte eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die den Rückgang der Insekten bestätigte. Die Folgen zeigen sich zuerst in der einfachen Nahrungskette, von Insekten über die (ebenfalls zurückgehende) Vogelwelt bis hin zu höheren Tieren und dem Menschen sowie über diefehlenden Bestäuberinsekten. Als Beispiel hatte Dörfler eine Auswahl von Früchten aus seinem Garten mitgebracht, die alle auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen sind. Äpfel, Pfirsiche, Pflaumen, ... all das würde fehlen, damit auch Vitamine und andere Nährstoffe.

Dass die Zusammenhänge aber viel komplexer sind, zeigte sich an der nächsten Station, als es an den Rand eines nahegelegenen Maisfeldes ging. Denn große Teile Deutschlands und der Welt werden landwirtschaftlich genutzt. Und die intensive Landwirtschaft nutzt eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln: Pestizide, Insektizide, Herbizide und Rodentizide, die intensiv entweder Insekten direkt bekämpfen oder indirekt wirken, indem die Wirtspflanzen vernichtet werden. Außerdem führt auch die Monokultur in der Landwirtschaft zum Rückgang der Insekten.

Etwa 30.000 bis 40.000 Insektenarten, 600 Wildbienenarten, 80 Libellenarten gibt es in Deutschland, und etwa 400 Vogelarten. "Welche Vögel gehen vor allem verloren?", fragte Dörfler und seine Zuhörer waren gut informiert: "Insektenfresser, vor allem Singvögel", kam als Antwort. Dörfler fügte hinzu, dass Jungvögel kleinerer Arten nicht länger als einen Tag ohne Nahrung auskommen. Und das betrifft eben viele Singvögel, die Insekten benötigen.

"Der Klimawandel ist nicht gottgewollt, er ist menschengemacht", erklärte Dörfler und wies auf den einzigen Ausweg hin: "Wir müssen unseren Naturverbrauch reduzieren". Statistisch gesehen leben von einer Pflanzenart zehn Insektenarten. Verschwindet die Pflanze, verschwindet auch das Insekt. Diese Wirkungen sind die sichtbaren. Unsichtbar, zum Beispiel im Boden verborgen sind die Wirkungen auf den Untergrund. Pflanzenschutzmittel wirken auch auf Bodenorganismen. Diese aber werden für die Humusbildung gebraucht.

Dörflers Fazit: Jeder kann selbst mit seinem Verhalten zum Naturschutz beitragen. Wer billige Lebensmittel kauft, der unterstützt die konventionelle, die intensiv und mit viel Chemie arbeitende Landwirtschaft. Wer Bio-Lebensmittel, am besten sogar regional hergestellte (soweit das möglich ist) kauft, der gibt sein Geld den Landwirten, die umweltverträglich wirtschaften.

Anschließend wurden weitere Themen diskutiert, die mit der Elbe, dem  Klima, der Natur und den Menschen zu tun hatten.

Im großen bunten Veranstaltungszelt gab es die offizielle Eröffnung. Diesmal durch Kerstin Wunderlich, die berichtete, wie sie in Schönebeck an der Elbe aufwuchs, die in ihrer Kindheit nicht zum Baden geeignet war und in die sie jetzt wieder ganz selbstverständlich hinein gehen kann. Ein Fluß, der inzwischen zur Erholung taugt. "Wo bist Du so schön braun geworden, an der Ostsee", fragen Freunde mitunter, und erhalten als Antwort "nein, an der Elbe". Und sie fügt hinzu: "viele Leute glauben mir gar nicht, wie schön die Elbe jetzt wieder ist und wie schön man darin baden kann".

Für Iris Brunar vom BUND Sachsen-Anhalt, der diesmal Mitveranstalter ist, ist das Elbe-Saale-Camp "etwas ganz großartiges", weil es von den Menschen vor Ort organisiert wird und weite Wirkungen hat. Sie berichtete über den aktuellen Stand zum Gesamtkonzept Elbe."In der Öffentlichkeit wird von der Bundes- und Landespolitik nur auf das Ziel einer Fahrrnnentiefe von 1,40 Meter hingewiesen – und dabei die zweite Bedingung verschwiegen: daß dies nur gilt, wenn der gute ökologische Zustand der Elbe eingehalten wird". Davon sind wir noch weit entfernt.

Der Rest des Nachmittags und Abends gehörte dann den Camp-Teilnehmern, die noch lange zusammen saßen, in der Elbe badeten, erzählten.
 


Die Barbyer Fähre fuhr wegen des Niedrigwassers
nicht. Ernst-Paul-Dörfler, der auf der anderen Seite der
Elbe wohnt, packte kurzerhand ein Schlauchboot
in sein Auto und kam über die Elbe gepaddelt. So
wie Neptun beim Neptunfest, mit einer Nixe an Bord.

Libellenexpertin Mandy Sylvester (rechts) diskutiert
mit Paul Dörfler über das Leben von Insekten
Kerstin Wunderlich (3. von links) eröffnet das
26. Elbe-Saale-Camp
Kaffee und Kuchen

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