Samstag, 25. Juli 2020

Auf der Suche nach dem Heldbock

Gernot Geginat ist hauptberuflich Medizinprofessor, in seiner Freizeit ist er zum Experten für Käfer geworden. In den Auenwäldern an der Elbe interessiert ihn das Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Heldbocks. Den Camp-Teilnehmern berichtet Gernot Geginat von etwa 30.000 Insektenarten in Deutschland. Er selbst hat sich vor allem auf Käfer spezialisiert. Unter diesen ist der Heldbock einer der größten in Deutschland und in Europa.

Gernot Geginat zeigt an einer alten Eiche
die Fraßspuren des Heldbockkäfers

Am Rande des Steckby-Lödderitzer Forstes halten die Radfahrer Ausschau nach großen alten Eichen. Diese alten Bäume, die schon die Grenze der forstlichen Nutzung überschritten haben, dienen den großen Käfern als Wirtsbaum. Die erste, an der sie anhalten ist noch voll belaubt. Geginat lässt die Radfahrer das Alter des Baumes schätzen. 150, 200, 300 Jahre wird ihm zugerufen. Also das Maßband um den Baum gelegt: etwa 350 Zentimeter. "Etwa 2 Zentimeter nimmt ein Baum im Jahr an Umfang zu", erklärt er, "der Baum ist etwa 170 bis 180 Jahre alt". Käfer oder deren Löcher in der Rinde waren keine zu finden. Aber die Pause kommt gerade recht, etwas über die Heldbockkäfer zu erfahren.

Die Käfer legen ihre Eier in die Rinde der Eichen, vor allem von Stileichen. Die  Larven fressen sich zur ersten Überwinterung in das Kambium (die Schicht unter der Rinde), im zweiten Jahr ins Splintholz und im dritten (bis fünften Jahr) ins Kernholz. Die neun bis zehn Zentimeter langen Larven ernähren sich vom Saftfluss des Baumes. Im Juli oder August verpuppen sie sich und nach vier bis sechs Wochen schlüpfen je Baum bis zu 200 Käfer, von Ende September bis Oktober, die dann ein drittes Mal im Baum überwintern.

Da die Käfer Eichen auf Eichen leben, die ihr Lebensende nahezu erreicht haben, ist eine Einstufung als Forstschädling umstritten, ist zu erfahren. Das Problem für den Käfer: Bäume werden unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits früher gefällt. Geginat plädiert dafür, einige alte Bäume soweit es geht stehen zu lassen, als Lebensraum für die vielen Arten, die der nichtsahnende Spaziergänger vielleicht noch nicht einmal wahrnimmt. Im Biosphärenreservat, das gleich hinter dem Deich beginnt, ist dies möglich.

Ein Stück weiter, kurz vor Breitenhagen ist dann endlich ein Baum in Sicht, der nur noch seine kahlen Äste in den Himmel reckt. Dieser Baum ist etwa 300 bis 400 Jahre alt und hat sein Lebensende auf natürliche Weise erreicht. Wobei Lebensende nicht ganz stimmt: an einer Stelle sprießen noch grüne Blätter. Ansonsten ist aber weiter Leben im Baum: unter der Rinde gibt es breite Fraßgänge. Zentimetergroße Löcher im Baum weien auf den Ausflug von Käfern hin. Hier könnte der Heldbock leben. Die Teilnehmer der Radtour bekommen ihn zwar nicht leibhaftig zu sehen, können aber die Zeichen seiner Anwesenheit erkennen. Wie er aussieht können sie im Fachbuch sehen, das Gernot Geginat mitgebracht hat.

Kurz vor Ende der Expedition ins Reich des Heldbocks kommen die Radfahrer durch Steckby. Dort steht am Dorfteich der Torso einer mächtigen Eiche. Die Struktur des Holzes erinnert an moderne Kunst. Der Heldbock lebt in diesem toten Holz nicht mehr. Nun wird der Baum, der noch lange so stehen bleiben könnte, zum Lebensraum für andere Arten. Der biologische Kreislauf ist noch lange nicht zu Ende.

Alte Eiche, noch voller Leben
Heldbock
(Wikipedia, von Accipiter (R. Altenkamp, Berlin) CC BY-SA 3.0, Link
Tote Eiche, auch voller Leben
Fraßspuren des Heldbocks unter der Rinde
Fraßspäne am Ausflugsloch
Ausflugloch des Käfers
Alte Eiche am Dorfteich von Steckby

Die Fraßspuren ergeben eine
interessante Oberflächenstruktur,
fast wie ein modernes Kunstwerk.

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