Mittwoch, 31. Juli 2019

Nestwärme. Was wir von Vögeln lernen können

Ernst Paul Dörfler stellte sein Buch "Nestwärme – Was wir von Vögeln lernen können" im Kunsthof Augustusgabe vor.


Die Festscheune des Kunsthofes war gut gefüllt und schemenhaft sah man auf den Dachfenstern Vögel sitzen, die von oben her zuhörten. Neben den Teilnehmern des Elbe-Saale-Camps kamen Barbyer und auch Gäste von weiter her. Paul Dörfler freute sich "ich habe schon mit vielen Gästen gerechnet, aber mit so vielen dann doch nicht". Grund ist vielleicht, dass sein Buch in die Zeit passt, Gefühle der Menschen aufgreift, die danach fragen, ob das Leben, das sie führen, das richtige ist. Oder ob man von der Natur (in dem Fall: von den Vögeln) noch etwas lernen kann. Auch wenn, wie Paul Dörfler berichtete, etwa 20 Verlage das Buch ablehnten, ehe eine Lektorin des Hanser-Verlages das richtige Gespür hatte.

Die Buchvorstellung war keine Lesung im üblichen Sinn, bei der der Autor vorn am Tisch sitzt, mit weißer Tischdecke, Leselampe und Wasserglas. Stattdessen gibt es einen durchaus unterhaltsamen naturkundlichen Vortrag. Paul Dörfler steht vor einer Leinwand, auf der Zeichnungen aus seinem Buch und Bilder von Vögeln zu sehen sind, spricht über die Natur, sein Leben, die Zusammenhänge von Mensch und Natur und über Verhaltensweisen von Mensch und Tier. "Könnt Ihr alles im Buch nachlesen", sagt er, hier geht es ihm um das Interesse der Zuhörer. Und das hat er von Anfang an. Das fängt schon beim Titel seines Buches an, den er anschaulich erklärt: Nestwärme sind zunächst die 38 Grad im gut gepolsterten Nest. Aber eben auch ein Gefühl "aufgefangen zu sein", das auch wir Menschen instinktiv haben, angefangen vom Säugling, der an der Brust der Mutter ruht und auf ihre Wärme angewiesen ist bis hin zu partnerschaftlichen Beziehungen.

Sein Buch hat erstmals auch autobiographische Züge, ist kein reines Naturbuch wie die vorangegangenen.  Dörfler berichtet über seine Kindheit auf einem Bauernhof an der Elbe, mit Eltern, die wie zur damaligen Zeit üblich, weitgehend Selbstversorger waren. Auf dem Hof gab es Hühner und Schweine, die Kartoffeln wuchsen im Garten. Sein Vater war stolz, freier Bauer zu sein. Über seinem Sohn sagte er aber "Der Bub wird mal kein Bauer". Und so führte Dörflers Weg dann zunächst über das Studium der Chemie und die Mikroelektronik wieder zurück zur Umwelt: zur Umweltchemie. Dörfler war beteiligt an Studien zur Umwelt, bei der es in der DDR einige große Probleme gab. Das führte ihn zur Umweltbewegung, für die er für die letzten Monate der DDR bis zur Wiedervereinigung sogar in die letzte Volkskammer der DDR gewählt wurde. 

Dörfler versteht es, über die Natur und das Leben plaudernd, einen unterhaltsamen und lebendigen Vortrag zu gestalten, in dem er wie nebenbei vom Verhalten der Tiere auf Schlussfolgerungen für uns Menschen ableitet. Oft durchaus mit etwas Augenzwinkern. Etwa "Singen statt kämpfen", "durch Rituale eigene Unsicherheiten überspielen", "frei von Gier sein" oder "am Biorhythmus orientieren". Apropos Biorhythmus: Dörfler spricht über den Einfluss des Tageslaufs auf das Leben der Vögel (und Menschen) und fragt seine Gäste "Wer von Euch fühlt sich als Lerchentyp, wer als Eule?", zählt die Hände durch und stellt nach der Erklärung, dass das moderne urbane Leben in den großen Städten die Lebensweise mehr in den Abend verschiebt, fest: "Ihr seid wesentlich mehr Lerchen als Eulen: Barby ist wohl eher keine Großstadt". Aber Lerchentypen sind insgesamt auch gesünder, fügt er als Vorteil für die Landbewohner hinzu. 

Dörfler kommt immer wieder auf Probleme zu sprechen, die ihn schon lange umtreiben. Landwirtschaft, Rückgang der Arten, vor allem der Insekten, die einer der Gründe für den Rückgang der Vogelpopulation sind. "Wenn die Vögel kein Futter für Ihren Nachwuchs finden, dann gibt es keinen Nachwuchs mehr", erklärt er diesen einfachen Zusammenhang. Er spricht über die Behandlungvon Äpfeln, Kartoffeln und Getreide mit Insektiziden, Pestiziden und Fungiziden ("bei Äpfeln 21 mal"), nach denen Insekten keine Chance mehr auf den Äckern, aber auch nicht auf den Ackerrandstreifen haben. Für ihn ist es ein kleines, aber nachvollziehbares Wunder, dass in Bayern die Volksinitiative "Rettet die Bienen" auf so riesigen Zuspruch kam. "1,9 Millionen Beteiligte, die 10 Prozent Blühwiesen und 30 Prozent naturnahe Äcker verlangen – und das in Bayern", freute er sich.

"Wenn uns die Insekten verlassen, verlassen uns auch die Vögel", sagt Dörfler. Und zieht daraus das so einfach klingende und doch so schwierige Fazit "Wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns um die Umwelt kümmern". Um das zu tun, hat er noch einige Empfehlungen aus seinem Buch parat: "Nachhaltigkeit", "das gesunde Maß finden" und "mehr Leichtigkeit". 

Fotos 1, 5 und 8: Rolf Winkler


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