Sonntag, 24. Juli 2022

Maria Schüritz und Daniel Stojek

Am Abend des Eröffnungstages des Elbe-Saale-Camps gab es ein Konzert in Verbindung mit Text-Performance:

Maria Schüritz – Gitarre, Gesang
Daniel Stojek – Texte

Maria Schüritz, die bereits im vergangenen Jahr im Camp zu Gast war, drehte sich zu Beginn des Auftritts herum zur Elbe und sagte "seit ich damals hier war und diesen Blick auf den breiten Fluss hatte, kann ich das nicht vergessen". Ein paar neue Lieder hat sie mitgebracht, singt davon, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo "der Lack ab" ist, wo man erkennt, dass "die Liebe nicht mehr so ist, der Kapitalismus auch nicht". In ihren Liedern ist immer ein Stück Erzählung enthalten, manchmal auch Philosophie. Oder auch mal einfach nur Sprachspielerei, wie in ihrem Samba "Lisa", in dem fast alle Worte mit L beginnen. 

Als sie von Daniel Stojek abgelöst wird, beginnt dieser mit einigen Gedichten, "saloppe Gedichte", wie er sie bezeichnet. Dann folgt wieder Maria Schüritz. In einem langen Spoken-Word-Song berichtet sie von einem Besuch in Granada im Jahr 2014 und macht daraus eine viel weitere Reise, die nach und nach viele unterschiedliche Kulturen umfasst, Geschichten rund ums Mittelmeer, durch Andalusien durch und weiter nach Süden, nach Marokko. Geschichten von Christen und Muslimen. Und von der gastfreundlichen Stadt Marrakesch. "Wenn ich heute an den Mittelmeerraum denke, dann fällt mir immer noch als erstes die kulturelle Vielfalt ein". Beim Mittelmeer (man muss manchmal "vor oder nach 2015" mit hinzudenken) ist das Flüchtlingsthema nicht fern. "Ich stehe da und weine, ich spende, ich singe mein Lied und ich überlege, ob es hilft, es immer wieder anzusprechen. Oder hat am Ende immer der Recht, der sagt, dass Lieder nichts bewirken?", fragt sie damit zugleich ins Publikum. Und im Hintergrund fließt die Elbe träge dahin. 

Beide berichten im Programm über ihre unterschiedlichen Sichten auf die DDR. Daniel Stojek, Jahrgang 1975, liest, begleitet von Maria Schüritz auf der Gitarre, vom Leben in der DDR, von Schule, Jugend und Armee, bis dann 1990 die Wende kam. Und Maria Schüritz, Jahrgang 1985 berichtet von ihren ersten Erinnerungen an die untergegangene DDR, etwa als die Mutter der Fünfjährigen Maria die alten Alu- und die neuen Kupfermünzen zeigt. "Das neue Geld ist schöner", antwortete sie damals. Vielleicht hat schon dieser Wechsel eine Grundlage für ihre Texte gelegt, in denen sie vom Leben erzählt, von Geschichte und von Beziehungen, vom Nur-so-dahin-leben und vom Aussteigen.  

Ein sehr poetischer Text war "Nach dem Regen" von Daniel Stojek, ein Text, wieder zur Gitarrenbegleitung erzählt, bei dem man in die Stimmung nach einem warmen Sommerregen mit hineingenommen wird, eine leise Liebesgeschichte und zugleich ein Dresdner Stadtspaziergang über regenfeuchte Straßen in die "Bunte Republik Neustadt". 

Dann wieder ein Lied von Maria Schüritz, "Verschwundene Dörfer", über die abgebaggerten Braunkohlendörfer. "Ich habe lange gebraucht, wirklich zu verstehen, warum wir hier eine so schöne Seenlandschaft haben", sagt sie. Und singt "ich schwimme über der Kirchturmspitze". Mit ihrer Loopstation erzeugt sie ein Stimmengewirr, als wenn viele Menschen ihre Worte wiederholen: "Und noch immer verschwinden Landstriche, Dörfer, Wälder / für immer neue Kohlefelder".


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