Jörg Schindler, Dr. Franziska Kersten, Prof. Karl-Heinz Paqué, Steffi Lemke und Iris Brunar (von links nach rechts) |
Zur Diskussion eingeladen waren Bundestagskandidaten aus Wahlkreisen an der Elbe. Der Einladung folgten Steffi Lemke (Grüne, Wahlkreis Dessau-Wittenberg, Agrarwissenschaftlerin, Bundestagsabgeordnete), Prof. Karl-Heinz Paqué (FDP, Wahlkreis Magdeburg, Volkswirtschafts-Professor an der Uni Magdeburg und ehemaliger Finanzminister Sachsen-Anhalts), Dr. Franziska Kersten (SPD, Wahlkreis Börde-Jerichower Land, Veterinärmedizinerin im Landwirtschaftsministerium) und Jörg Schindler (Linke, Wahlkreis Dessau-Wittenberg, Rechtsanwalt für Arbeits- und Soziales). Moderiert wurde die Diskussion von Iris Brunar (Elbe-Projekt des BUND). Die CDU nahm trotz mehrfacher Nachfrage nicht teil. Das empfanden alle als bedauerlich, schließlich kommen doch gerade aus den Reihen der CDU vehemente Forderungen nach einem Elbausbau – man hätte also auch vom CDU-Bundestagskandidaten die Position zum Wert der Flüsse erfahren wollen.
Die zu den Parteifarben passende Platzierung der Diskutanten war wirklich nur zufällig. |
In einer kurzen Begrüßungsrunde war von allen Diskussionsteilnehmern zu erfahren, daß sie sich an der Elbe wohlfühlen und sie als wohltuenden Ort der Entspannung empfinden. Steffi Lemke erinnert nicht nur an die frühere Elbe, sondern auch an die Mulde, die vor 1990 noch dicken mit Schaum bedeckt war. "Heute kann ich in beiden Flüssen wieder baden", sagte Lemke, die die Elbe auch von Kanutouren kennt. Für Jörg Schindler ist die Elbe ein Ort der Entspannung: "Wenn ich in Wittenberg am Speicher entlang spaziere, dann habe ich Zeit um vom Alltag herunter zu kommen". Franziska Kersten ist in Pretsch aufgewachsen, "20 Meter hinter dem Deich". Sie spricht davon, schon als Kind mit den Deichwachen mitgelaufen zu sein und erinnert sich an die stinkende Brühe, die der Fluß damals war. "Heute ist die Elbe ein Fluß, an dem man sich zu Hause fühlen kann". Karl-Heinz Paquet nannte drei Dinge zur Elbe: Spaziergänge mit meinem Labrador in der Flußlandschaft der Elbe, "das ist Erholung pur", die großen Elbehochwasser, mit den Schrecken der Flut, aber auch der Welle der Solidartät, die in der Hilfe aus ganz Deutschland die deutsche Einheit zeigte und die Kulturlandschaft der Elbe, die vielen Kleinode im Land von Tangermünde bis Wittenberg.
Als Einleitung zur dann folgenden Diskussion stellt Jutta Röseler dar, was die Menschen der Region in Zusammenhang mit den Flüssen bewegt und erläutert auch den durch das Elbe-Saale-Camp fortwährend betriebenen Widerstand gegen Staustufen und Ausbauvorhaben an Elbe und Saale. "Begonnen hat das mit dem Bundeverkehrswegeplan 1992. Darin standen der Ausbau der Saale für Schiffe mit 2,50 Meter Tiefgang, die Vertiefung der ELbe und der Anschluß des Hafens Leipzig". Und sie erwähnt einzelne Veranstaltungen, "in einigen Jahren hatten wir 800 Leute im Camp, es gab den symbolischen Bau einer Staustufe vor dem Landtag, Klageweiber, die den Zustand des Flusses betrauerten und die Sperrung der Elbe mit einem Seil. Nach dem Hochwasser 2002 gab es einen Stop für die Staustufe, 2006 dann sogar den Umweltpreis des Landes Sachsen-Anhalt, vor einigen Jahren den Runden Tisch zur Elbe und jetzt die Gesamtkonferenz zur Elbe mit dem Ergebnis, Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen zu wollen".
Jutta Röseler gibt kurz die Geschichte des Protestes gegen Elbeausbau, gegen Kanal und Staustufen an der Saale dar. |
Iris Brunar bringt das Gespräch auf Wertvorstellungen, "die ja ganz unterschiedlich ausfallen können". Die einzelnen Punkte reichen dann auch von der identitätsprägenden Wirkung, dem Potential für den Tourismus, dem Schutz vor Hochwasser bis hin zur Wirtschaft. "Wenn Sachsen-Anhalt nicht schon seinen Namen hätte, könnte es auch Elbeland heißen", sagte Paquet. Nach den allseitigen Bekundungen der Bedeutung der Elbe für das Land und die Menschen mußte aber Steffi Lemke, die schon seit Jahren für die Erhaltung der Natur an der Elbe kämpft, feststellen "wenn alle dafür sind, dann frage ich mich, warum wir nach 25 Jahren immer noch hier sitzen müssen". Und sie schloss ein Plädoyer für die Elbe an, weil nicht nur die Natur von uns abhängt, sindern auch wir immer noch abhängig von der Natur sind.
In der Diskussion geraten Lemke und Paqué immer wieder aneinander, etwa wenn es um die Fragen des Ausbaus und um das Gesamtkonzept Elbe geht. Und in der Tat erweist sich das eine sehr komplizierte Materie, in der die grüne Bundestagsabgeordnete deutlich besser zu Hause ist als der Magdeburger Wirtschaftsprofessor. Lemke verweist auf die Bundestagsdebatte, deren Ergebnis (nach dem Abschlusspapier der Gesamtkonferenz Elbe könne der Ausbaustop nun beendet werden) "diametral entgegengesetzt lag zum im Gesamtkonzept erreichten Konsens". Insbesondere tritt Lemke auch gegen einen Staatsvertrag mit Tschechien ein "der den Ausbau der Elbe und auch den Staustufenbau in Tschechien legitimieren würde". Letztlich spielen nicht nur die Verkehrswege eine Rolle: "auch die Wasserrahmenrichtlinie der EU ist ein internationale Gesetz, das dabei zu beachten ist".
Iris Brunar brachte das Gespräch auf die reale Lage an der Elbe ("aktuell 1,06 Meter Fahrrinnentiefe an der niedrigsten Stelle) und auf die Einschätzung des Leibniz-Institutes für Gewässerökologie und Binnenfischerei, dass bis auf Rhein und Donau alle Flüsse aus der Piorisierung des Bundesverkehrswegeplans herausgenommen werden können. Daraufhin entwickelt sich ein Streit zwischen Paqué und Lemke darüber, ob denn die 1,40 Meter aus dem Gesamtkonzept einen Ausbau erfordern. Paqué verweist darauf, dass die Politiker Informationen von den Fachleuten erhalten und dass die Forschung noch weitere Ergebnisse bringen soll. Dass die Forschung dies schon 25 Jahre lang hätte tun können bzw. bereits getan hat und schon lange Forschungsarbeiten zur Elbe auf dem Tisch liegen, die gegen einen Ausbau sprechen, läßt er dabei unerwähnt.
In bezug auf die rechtliche Einschätzung richtet Iris Brunar die Frage "gibt es ein Gesetz das die Schiffbarkeit der Elbe verlangt?" an Rechtsanwalt Schindler. Dies ist zwar nicht sein Fachgebiet, aber er kann zumindest grundsätzlich feststellen, dass es "kein grundsätzliches Recht auf die Nutzung gibt".
Bei der Frage nach dem monetären Wert und der Sinnhaftigkeit der Ausgaben für die Elbe ist Wirtschaftsprofessor Paqué gefragt. Als in seiner Antwort der Satz fällt, "Wenn man eindeutig sagen kann, es gibt keine Möglichkeit, dann ist die Antwort trivial: dann muß man die Buhnen zurückbauen und alles renaturieren", fragt Lemke, ob er nicht vielleicht bei den Grünen eintreten wolle. Nein, das ginge dann auch dem FDP-Mann zu weit. Aber immerhin war interessant zu hören, dass die Positionen der beiden gar nicht so weit auseinander liegen. Es fehlt eigentlich nur noch am Nachweis, dass ein ökologischer Ausbau nicht geht. Finanziell dürfte der Nachweis schon vorliegen: dafür brauchen nur die Zahlungen für die Elbe und für den Rückgang des Frachtverkehrs auf der Elbe nebeneinandergelegt werden.
Die Schlußrunde dreht sich um die Frage, wie die Elbe in zwanzig bis dreißig Jahren aussehen wird. Im Prinzip ist das der Punkt, an dem sich alle in einem Punkt einig sind: es wird weiter an der Elbe gelebt werden, in einer erhaltenen Kultur- und Flusslandschaft. "Es wird weniger Schiffsverkehr geben" sagte Jörg Schindler, ähnlich Franziska Kersten: "keine durchgehende Schiffbarkeit" und Karl-Heinz Paqué: "in begrenztem Maß auch Schiffbarkeit". Steffi Lemke ging etwas weiter: "Die Elbe wird wieder breiter und länger sein, mit mehr Flusskilometern, die Auen sind grüner und es gibt mehr Vögel und Insekten, mehr Paddler und Schwimmer – und im Verkehrsministerium arbeiten echte Ökologen".
Am Ende der Diskussion zogen dunkle Gewitterwolken auf. Das lag aber nicht an der Diskussion, die von einer Gewitterstimmung doch recht weit entfernt war. |
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